Die Schauspielerin Vivien Wulf dürfte vielen meiner Altersgenoss*innen wohl vor allem seit „Rock it!“ ein Begriff sein. Der Musicalfilm aus dem Jahr 2010 war die deutsche Antwort auf „High School Musical“ und „Camp Rock“ und zog in der 8. Klasse auch an mir und meinen Freundinnen nicht spurlos vorbei. Daher freute es mich natürlich, als ich Vivien im Januar 2025 für die Abendzeitung München interviewen durfte, um unser Leserpublikum auf ihr baldiges „Sturm der Liebe“-Debüt einzustimmen. In Vorbereitung auf Interviews mache ich mich immer ausgiebig schlau über meine jeweiligen Gesprächspartner*innen und so natürlich auch bei Vivien. Schnell wurde mir bewusst, dass diese Frau weit mehr ist als eine Schauspielerin: Journalistin, Unternehmerin und Autorin – Vivien lässt sich definitiv nicht in eine Schublade packen und ich konnte bei der Recherche für unser Interview ganz aus dem Vollen schöpfen. Unser Telefongespräch zählt für mich bislang zu den angenehmsten Terminen, die ich als Journalistin wahrnehmen durfte: Vivien war herzlich und offen, gab mir interessante Antworten und schien vor allem dankbar – für sie war unser Telefonat kein lästiger Pressetermin und genau das ließ sie mich spüren. Wir plauderten über ihr neue TV-Rolle, die Vorzüge des Unterschätzt Werdens und den Spiegel-Bestseller „Pretty Happy – Lieber glücklich als perfekt“, den sie 2021 gemeinsam mit Wirtschaftsjournalistin Nena Brockhaus, damals noch Schink, herausgebracht hatte. Der Gedanke hinter dem Buch und der persönliche Austausch mit Vivien machten mich gleich neugierig, weshalb ich mir „Pretty Happy“ auch unbedingt zulegen wollte. Und nach der Lektüre kann ich sagen: Ich bin sehr froh, diese Perle entdeckt zu haben!
Worum geht es in „Pretty Happy“?
Vivien Wulf und Nena Brockhaus rechnen in „Pretty Happy“ mit dem Trugschluss ab, dass Schönheit und Glück einander bedingen. In persönlichen Erzählungen arbeiten sie auf, wie uns der Schönheitsdruck, den wir uns meist selbst auferlegen, sogar hemmen, ausbremsen und in unserer Lebensqualität einschränken kann. Sie teilen Erfahrungen aus ihren Privat- und Berufsleben, die sie wertvolle Lektionen lehrten und gehen ganz offen mit persönlichen Unsicherheiten um, die ihnen auf der Reise in die Selbstliebe immer wieder Steine in den Weg gelegt haben. Dabei widmen sich die Autorinnen den drei zentralen Fragen: Was ist Schönheit? Was ist Glück? Und was ist das Geheimrezept Pretty Happy?
An vielen Stellen im Buch ist nicht klar erkennbar, wer von den beiden gerade erzählt, was das Geschriebene umso zugänglicher macht. Die Lektüre fühlt sich ab der ersten Seite eher wie ein Austausch als ein Monolog an, weil man sich in den Erfahrungen der Autorinnen so oft wiedererkennt. Teilweise musste ich beim Lesen wirklich schlucken – sowohl aus Erleichterung als auch aus Entsetzen darüber, wie verbreitet die Unsicherheiten und Gedankenspiralen sind, mit denen ich mich, seit ich denken konnte, alleine gefühlt hatte.
Ein Satz, der ganz früh im Buch fällt, brannte sich mir gleich ein: „Wir schulden niemandem Schönheit!“ Vier Worte, die wir uns immer wieder vor Augen führen sollten, wenn wir unser Abbild auf Fotos verreißen, vor dem Spiegel verzweifeln und uns einreden, dass sich alle Probleme magisch in Luft auflösen, hätten wir nur endlich das Wunschgewicht oder die perfekte Haarlänge erreicht. Denn welcher Richter definiert eigentlich dieses unerreichbare Ideal, dem wir hinterhereifern? Und wenn wir unsere vermeintlichen Makel endlich ausgebessert haben – sind wir dann wirklich zufrieden oder suchen wir einfach nach neuen angeblichen Defiziten, die es zu beheben gilt? In den meisten Fällen sind wir selbst wohl leider unsere schärfsten Kritiker, weshalb die Botschaft von „Pretty Happy“ so zeitlos wichtig ist.
Wer findet das Haar in der Suppe?
Als ich den Klappentext zu „Pretty Happy“ zum ersten Mal las, war mir gleich klar, was ich Vivien in unserem Interview unbedingt fragen wollte. Ich ahnte, welche Kritik die beiden Autorinnen für ihr wertvolles Buch mit Sicherheit erreicht haben musste: Wie kommen zwei normschöne Frauen darauf, sich über den Schönheitsdruck zu beschweren, dem sie sich offenbar selbst beugen? Ein Blick in die Kommentarspalte unter dem YouTube-Trailer zu „Pretty Happy“ bestätigte mich in dieser Vorahnung. Dort findet man nur wenige Beiträge, doch jeder einzelne davon geht genau in diese Richtung:
„Herrlich vorgetragen von zwei adretten Barbies.“
„Wollt ihr uns verarschen?“
„Lol und dafür nehmt ihr zwei Schönheiten?“
„Pretty Happy“ spricht ganz offensichtlich vielen Menschen aus der Seele, was seinen großen Erfolg erklärt. Und doch bestätigte mir Vivien in unserem Interview, dass sie für das Thema ihres Buches als normschöne Frau durchaus auch Kritik einstecken musste:
„Ja, natürlich, sehr oft sogar – aber das finde ich ehrlich gesagt ein bisschen unfair. Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Und außerdem: Nur weil man vermeintlich einem gewissen Schönheitsideal entspricht, darf man trotzdem Unsicherheiten haben. Diese Diskussion habe ich tatsächlich noch nie verstanden, denn ich hatte früher selbst unglaublich viele Unsicherheiten. So sind Nena und ich damals überhaupt erst auf die Buchidee gekommen. Wir saßen irgendwann zusammen und sie hat gesagt: ‚Vivien, als du damals in ‚Rock it!‘ mitgespielt hast, wirktest du so selbstbewusst!‘ Worauf ich geantwortet habe: „Nena, ich war damals vieles, aber ganz sicher nicht selbstbewusst.“ Ich war sogar sehr unsicher, hab mich gerne hinter Make-up versteckt – und das, obwohl ich damals noch so jung war. Deswegen finde ich diese Kritik schon ein bisschen unfair.“
Ich persönlich sehe das genau wie Vivien. Gerade weil auch normschöne Menschen von diesen Selbstzweifeln betroffen sind, stellen wir fest: Egal, wie viele Schönheitsmerkmale wir mitbringen, wir werden einen Weg finden, uns doch wieder selbst zu kritisieren. Als Leserin und Frau bin ich dankbar dafür, dass Vivien und Nena zu ihren Unsicherheiten standen, das Problem an der Wurzel gepackt haben und mit inspirierenden Ansätzen für ein Umdenken sorgen möchten. Wer auch immer sich je mit dem Schönheitsdruck alleine gefühlt haben sollte – wirf einen Blick in „Pretty Happy“ und Du wirst feststellen, dass Deine Selbstzweifel nichts Außergewöhnliches sind! Doch an der Lösung können wir nur gemeinsam arbeiten und mit ihrem Buch haben Vivien und Nena einen wichtigen ersten Beitrag geleistet.

Megan Fox – Vom Fluch und Segen eines Sexbombenimages
Als ich mich mit dem Thema für meinen Blog näher auseinandersetzte, fiel mir ein Interview mit Megan Fox aus dem Jahr 2023 wieder ein. Gegenüber der Sports Illustrated gestand die Schauspielerin, die seit „Transformers“ als DAS Sexsymbol schlechthin gilt, selbst kein Fan von der eigenen Optik zu sein:
„Ich sehe mich nie so, wie andere Leute mich sehen. Es gab nie einen Punkt in meinem Leben, an dem ich meinen Körper geliebt habe, niemals.“
Sie verriet damals, an einer Körperdysmorphen Störung zu leiden: Dabei handelt es sich um eine psychische Störung, bei der eine Person übermäßig besorgt über optische Makel oder Fehler ist – obwohl diese entweder sehr klein oder für andere nicht einmal sichtbar sind. Während Megan Fox weltweit für ihren sportlichen, schlanken Körper und ihr schönes Gesicht gefeiert wurde, verbargen sich hinter der Hollywood-Fassade Selbstzweifel und tiefsitzende Unsicherheiten. Zahlreiche Schönheitseingriffe waren die Folge.
Das Interview wurde 2023 in den sozialen Medien kontrovers diskutiert: Wie kann es sein, dass ein angeblich unsicherer Mensch so gerne freizügig posiert? Was fällt einer Megan Fox eigentlich ein, ausgerechnet beim Thema Schönheit über Selbstzweifel zu klagen? Doch vielleicht muss man versuchen, das Ganze durch ihre Brille zu betrachten: GERADE bei einer Megan Fox muss sich die Fallhöhe wahnsinnig belastend anfühlen. Immerhin war ihr Aussehen stets das Einzige, auf das die Öffentlichkeit sie reduzieren wollte. Sie muss sich seit jeher gefragt haben, welche Identität ihr denn noch bleiben würde, wenn ihr eines Tages jemand die Schönheit absprechen sollte. Und Megan Fox ist bei Weitem nicht die erste Hollywood-Traumfrau, die trotz vermeintlicher Perfektion viel zu hart mit sich selbst ins Gericht ging, wie mir Vivien in unserem Interview erklärte:
„Eine Meinung ist immer schnell gebildet oder das Recht auf Unsicherheiten wird einem aus bestimmten Gründen abgesprochen. Aber was in unserer Recherche für das Buch herausgekommen ist: Eine Marilyn Monroe, DAS Sexsymbol ihrer Zeit, kurvig und sexy, wollte lieber dünn sein wie eine Twiggy. Twiggy, die dünn war wie ein Stock, wollte hingegen kurvig sein wie eine Marilyn Monroe. Man kann es also nie allen recht machen!“
Offenbar bleibt kaum jemand von diesen Unsicherheiten verschont. Und das alles wegen eines Themas, das im Grunde irrelevant wird, sobald wir einmal so richtig krank sind und uns körperlich hundeelend fühlen. Eine schöne Hülle ist ganz wunderbar – doch kann und MUSS unser Körper doch noch so viel mehr leisten als hübsch auszusehen. Wir tun uns selbst keinen Gefallen, wenn wir unsere Identität und unser Glücksempfinden von rein äußerlicher Schönheit abhängig machen. In „Pretty Happy“ erhält man als Leserin erste Ansätze, um sich von den einengenden Gedankenspiralen freizuschwimmen und die Zufriedenheit in anderen Lebensbereichen zu suchen. Vor allem aber wird in Viviens und Nenas Buch deutlich, was für wundervolle Dinge entstehen können, wenn Frauen zusammenhelfen und zusammenhalten – völlig unabhängig von Oberflächlichkeiten. Denn eine Freundin muss nicht schön sein (auch wenn meine Freundinnen das natürlich uneingeschränkt sind 😉), sie muss empathisch, loyal und ehrlich sein.

Wertvolle Lektionen
Der Austausch mit Vivien und die Lektüre von „Pretty Happy“ hielten für mich viele Aha-Momente bereit. Ich musste mir tatsächlich eingestehen, dass ich selbst noch an einigen Stellen anzusetzen hatte. Damit aufzuhören, Fotos von mir zu Tode zu analysieren zum Beispiel, sondern sie einfach zu posten – denn die Autorinnen haben völlig recht: Wir schulden niemandem Schönheit.
Doch auch im Job gab es für mich wertvolle Erkenntnisse: Im Boulevardjournalismus lernt man, beim Schreiben über Prominente hin und wieder Synonyme zu finden, um die Namen der VIPs nicht allzu oft wiederholen zu müssen: Das Stimmwunder, die Powerfrau, der sympathische Entertainer…. Begriffe wie diese sollen dem Lesefluss helfen und jeden Text ein wenig auflockern. Beim Schreiben über Vivien musste ich mich aber gelegentlich bremsen: Denn hätte ich sie ständig nur als die hübsche Schauspielerin bezeichnet, wäre ich auf gewisse Art und Weise in die Falle getreten, von der in „Pretty Happy“ die Rede ist. Denn ja, natürlich trifft das auf sie zu – doch ist Vivien eben noch viel mehr als ihre Optik.
Es ist keine Straftat, jemanden schön zu finden und wir sollten uns auch weiterhin gegenseitig aufrichtige Komplimente machen dürfen. Aber Schönheit darf einfach nicht länger diesen Stellenwert einnehmen, den wir ihr seit jeher eingeräumt haben. Ich freue mich schon darauf, „Pretty Happy“ an zahlreiche meiner Freundinnen auszuleihen. Es liest sich schnell und kurzweilig, hat aber das Potenzial, noch lange nachzuwirken, weshalb ich an dieser Stelle eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen möchte. Abschließend lasse ich die Autorin Vivien selbst noch einmal zu Wort kommen. In unserem Interview brachte sie die wichtige Arbeit an ihrem Buchdebüt „Pretty Happy“ folgendermaßen auf den Punkt:
„Nena und ich sind natürlich keine Psychologinnen und haben auch nichts in diese Richtung studiert. Aber wir haben eigene Erfahrungen gemacht und ganz viel recherchiert. Wenn wir nur einer Person geholfen haben, ihre Unsicherheiten ein Stück weit abzulegen, dann hat sich das alles gelohnt. Und ich muss auch sagen, dass ich beim Schreiben von ‚Pretty Happy‘ einige Dinge nochmal ganz anders verarbeitet habe.“